Energiewende

„Ohne Rohstoffwandel ist eine Energiewende nicht möglich“

9 Februar 2024
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Lesedauer: 6 Minuten

Maud Eijgendaal (40) ist Program Manager Renewable Fuels & Chemicals bei Port of Rotterdam Authority. Sie engagiert sich für den Rohstoffwandel. Für sie geht das Ganze nicht schnell genug. Maud: „Vielleicht bin ich manchmal zu ungeduldig. Ich weiß, dass die Dinge Zeit brauchen. Trotzdem glaube ich, dass wir immer ungeduldig bleiben sollten. Die Zeit ist knapp.“

Maud Eijgendaal

Maud ist seit 14 Jahren bei der Port of Rotterdam Authority in verschiedenen Positionen tätig. Deshalb kennt sie den Hafen inzwischen in- und auswendig. In ihrer derzeitigen Position hat sie in der Regel einen etwas anderen Hintergrund als ihre Gesprächspartner. „Ich begann meine berufliche Laufbahn als Anwältin in einer internationalen Anwaltskanzlei. Als ich bei der Port of Rotterdam Authority eine freie Stelle als Unternehmensjurist sah, wagte ich den Sprung in die Wirtschaft. In dieser Position befasste ich mich mit maritimen Haftungsangelegenheiten und lernte so den Hafen und die Kunden in der Schifffahrt und Industrie gut kennen. Ich erkannte, dass ich gerne viel direkter mit Kunden arbeiten wollte. Also begann ich in verschiedenen Positionen in der Handelsabteilung zu arbeiten. Dort bin ich bei meiner Arbeit zum ersten Mal mit alternativen Kraftstoffen in Berührung gekommen und habe unter anderem geholfen, die Flüssiggas-Bunkerung im Hafen einzurichten. Ich fand dieses Thema äußerst interessant. Inzwischen arbeite ich als Program Manager Renewable Fuels & Chemicals und kümmere mich mit einem Team um die Entwicklung eines neuen Rohstoff- und Kraftstoffsystems mit dem Schwerpunkt auf Ausbreitung der lokalen Produktion.“ 

Impulsgeber und Content-Ersteller 

Konkret geht es bei dem Programm Renewable Fuels & Chemicals darum, fossile Kraftstoffe und Rohstoffe zu ersetzen, zum Beispiel durch Biomasse, recycelte Materialien, grünen Wasserstoff und CO2. Maud: „Meine Aufgabe als Program Manager bei diesem Thema? Eigentlich zwei Dinge. Einerseits bin ich für den Verlauf des Programms verantwortlich. Sozusagen „die administrative Komponente“. Aber die meiste Zeit beschäftige ich mich mit inhaltlichen Projekten, die sich auf die Erschließung und Nutzung von Chancen im Bereich der nachwachsenden Rohstoffe und Kraftstoffe richten. Unser Ziel ist es, den Rohstoffwandel zu beschleunigen, gemeinsam mit dem Team, den Kolleginnen und Kollegen, den Kunden und Stakeholdern.“ 

Symbiotische Beziehung 

Wie hängt der Rohstoffwandel mit der Energiewende zusammen? „Ohne Rohstoffwandel ist eine Energiewende nicht möglich.“ Die Klimaziele wären dann gefährdet. Diese Themen sind nämlich eng miteinander verknüpft. Sie können nicht ohneeinander existieren. Es gibt – und das ist gut so – eine Menge Aufmerksamkeit für die Energiewende. Im Rahmen unseres Programms setzen wir sowohl intern als auch extern alles daran, die Bedeutung des Rohstoffwandels zu verdeutlichen und wir sind ständig auf der Suche nach Kundschaft, Projekten und Investitionen, die dazu beitragen können.“ 

Kreislaufwirtschaftliche Initiativen 

Maike fährt fort: „Wir müssen uns genau überlegen, woher wir demnächst die Rohstoffe, die wir zum Beispiel für den Bau von Windkraftanlagen dringend brauchen, beziehen werden. Oder neue Elektrolyseure für die Batterien von Elektrofahrzeugen. Die EU selbst kann nicht auf so viele wesentliche Rohstoffe zurückgreifen, was bedeutet, dass wir bei einigen dieser relevanten Rohstoffe von Drittländern abhängig sind, die 90 % der Weltproduktion besitzen. Der nachhaltige Umgang mit Rohstoffen ist von zunehmender Bedeutung, wenn man sicherstellen will, dass die Rohstoffe auch für künftige Generationen verfügbar bleiben und die Umweltauswirkungen ihrer Gewinnung und Nutzung verringert werden sollen. Das ist der Weg, den wir einschlagen müssen, um zu gewährleisten, dass wir auch in den Niederlanden über die ausreichende Menge an Rohstoffen verfügen, die wir demnächst oder eigentlich jetzt schon für die Beschleunigung der Energiewende brauchen. Im Rahmen des Programms untersuchen wir, inwieweit es möglich ist, Rohstoffe zu raffinieren, zu importieren, und im Hafen angemessen zu verarbeiten und zu recyceln.“ Es gibt schon mehrere kreislaufwirtschaftliche Initiativen im Hafen. Maud weist darauf hin, dass das Unternehmen TES ein gutes Beispiel dafür ist.
„TES ist eines der größten Batterie- und Elektronikschrott-Recyclingunternehmen der Welt. Sie recyceln Batterien aus Elektrofahrzeugen im Hafen von Rotterdam.“ 

Was viele jedoch nicht wissen, ist, dass unser Hafen auch einer der größten Biokraftstoff-Cluster der Welt ist.

Maud Eijgendaal

Größter Biokraftstoff-Cluster der Welt 

Und was wird aus den fossilen Brennstoffen? Maud: „Die Einführung eines neuen Kraftstoffsystems ist der andere Teil des Programms. Um eine vollständige Kreislaufwirtschaft zu erreichen, müssen wir uns von fossilen Kraftstoffen verabschieden. Allerdings sind wir in manchen Sektoren wie der Luftfahrt und der Schifffahrt vorläufig noch auf Kraftstoffe angewiesen. Hier suchen wir nach nachhaltigen Alternativen. In meiner Funktion bin ich sehr stark an der Suche nach Möglichkeiten zum Ausbau des lokalen Bioraffinerie-Clusters mit bestehenden und neuen Kunden beteiligt.“

Maud ist sich der Rolle, die der Hafen beim Rohstoffwandel spielt, sehr bewusst. Maud: „Vielen Menschen ist bekannt, dass innerhalb der Hafenanlagen von Rotterdam ein sehr großer petrochemischer und Kraftstoff-Cluster aktiv ist. Was viele jedoch nicht wissen, ist, dass unser Hafen auch einer der größten Biokraftstoff-Cluster der Welt ist. Diese Position wollen wir in den kommenden Jahren weiter ausbauen. Wir haben uns bereits vor einigen Jahren konkrete Ziele gesetzt und darauf können wir wirklich stolz sein. Wir spielen eine wichtige Rolle bei der Erkennung, Untersuchung, Nutzung und Unterstützung von Möglichkeiten sowie bei der weiteren Gestaltung eines guten Geschäftsklimas für bestehende und neue Unternehmen, die einen wichtigen Beitrag zum Rohstoffwandel leisten können.“ 

Von Fossil- zu Biokraftstoff

Wie sieht Maud den aktuellen Petrochemie- und Kraftstoff-Cluster im Zusammenhang mit dem Rohstoffprogramm? „Bislang wurden noch keine konkreten Ziele für die Kette in Bezug auf die CO2-Emissionen während des gesamten Lebenszyklus aller Produkte, die ein Unternehmen kauft, herstellt und/oder verkauft (Scope 3), festgelegt. Das heißt aber nicht, dass wir nicht die höchsten Ambitionen haben, unseren Beitrag auch genau in dieser Kette zu leisten. Natürlich gibt es eine Menge fossiler Industrie im Hafen. Die Hälfte unseres Umschlags ist von fossilen Produkten abhängig. Ich weiß, dass das eine Herausforderung ist, aber auch eine Chance. Denn gerade hier in unserem Cluster finden viele der neuen Investitionen in Biokraftstoffe statt. Shell und Neste bauen beide gerade eine Bioraffinerie zur Herstellung von nachhaltigem Flugzeugtreibstoff, der bald in ganz Europa eingesetzt werden kann. Der Cluster sorgt auch dafür, dass neue Akteure angezogen werden, weil hier bereits alles lebt und gedeiht und läuft. Die Infrastruktur ist schon vorhanden, ebenso wie eine Menge Wissen und Erfahrung mit fast allen Arten von Kraftstoffen. Dieser Hafen hat wirklich das Potenzial, den Rohstoffwandel zu beschleunigen, aber das geht nicht von heute auf morgen.“ 

Die Welt in 30 Jahren 

Trotz ihrer Ungeduld ist Maud sich völlig im Klaren darüber, dass der Wandel Zeit braucht. Wenn man sie fragt, wie der Hafen in einiger Zeit aussehen wird – wenn ihr kleiner Sohn erwachsen ist – sagt sie: „Auf den ersten Blick wird sich der Hafen wohl kaum von dem unterscheiden, was er jetzt ist, aber hoffentlich sieht er unter der Motorhaube ganz anders aus. Mit viel mehr Platz und Raum für nachhaltige Rohstoffe und Kraftstoffe. Ich hoffe, dass das Fliegen mit nachhaltigem Treibstoff die Norm sein wird, wenn mein kleiner Sohn in meinem Alter ist. Als Hafenindustriekomplex arbeiten wir intensiv daran, dieses Puzzle zusammenzusetzen.“ 

DÜNUNG

In dieser Rubrik trifft man Menschen, die sich für intelligente und nachhaltige Lösungen im Hafen und für die Erde allgemein einsetzen. Lassen Sie sich von ihnen inspirieren und helfen sie mit, diese Lösungen umzusetzen. 

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