Nachhaltigkeit

Rotterdamer Reedereien der Nachhaltigkeit fest verpflichtet

4 Juli 2023
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Der Shortsea-Verkehr ist eine nachhaltige und kostengünstige Alternative zu anderen Modalitäten. Diese Miniserie rückt Rotterdamer Weltkonzerne aus der Branche ins Rampenlicht. In diesem Teil reden BG Freight Line, W.E.C. Lines und Samskip über die Stärken von Rotterdams größter Shortsea-Drehscheibe im Waal-Eemhaven-Gebiet und die unbestritten wichtigsten Trends im Markt, allen voran die Nachhaltigkeit.

Es gibt nach wie vor viele unsichere Faktoren, sowohl im Hinblick auf zukunftsfähige Techniken als auch im Zusammenhang mit Gesetzen und Verordnungen. Warten ist allerdings keine Option. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen wir jetzt in Aktion kommen. Genau das tun diese drei Reedereien.

Rotterdams Waal-Eemhaven beherbergt Europas größten Shortsea-Cluster, das City Terminal. In Kombination mit der hohen Konzentration von kooperierenden (Shortsea-)Terminals und Shortsea-Dienstleistern garantiert der Cluster einen schnellen und zuverlässigen Transport und Umschlag von Waren innerhalb Europas. Neben den Rotterdam Shortsea Terminals (RST), Matrans Rotterdam Terminal, Rail Service Center (RSC) und Coolport, befinden sich dort auch das Kramer Containerlager und eine Reparaturwerft. In naher Zukunft werden die Crossdock-Aktivitäten von Neele-Vat zu den bereits angebotenen Dienstleistungen hinzukommen. Darüber hinaus verfügt Rotterdam über das größte Netz von Zubringer-Services, die an internationale Liniendienste anschließen, sowie eine direkte Anbindung an Deepsea-Linienverbindungen mit mehr als 140 internationalen Häfen.

Ein zentraler Standort für alle Dienstleistungen

„Die Stärke des Waal-Eemhaven-Gebiets besteht darin, dass alle Dienstleistungen an einem Standort zusammengefasst werden“, erläutert Caesar Luikenaar. Bis vor Kurzem war Luikenaar zuständig für sämtliche Shortsea-Aktivitäten von W.E.C. Lines. Ab dem 1. Juli 2023 wird er als CEO dieser Reederei tätig sein.

„Ganz genau“, ergänzt Koert Luitwieler, CEO der BG Freight Line, „wegen der Kombination mit den Deepsea-Aktivitäten muss man eine Runde durch ganz Rotterdam drehen. In dieser Branche gibt es ja auch eine Menge Umladungsfracht. Wenn man Fracht an einem zentralen Standort laden und entladen kann, werden Durchgangszeiten und Kosten möglichst niedrig gehalten.“

Maciek Chelmowski, Regional Director West Europe bei Samskip, nickt zustimmend und fährt fort: „Die trimodale Beschaffenheit des Rotterdamer Shortsea-Terminals ist von wesentlicher Bedeutung. Allerdings muss alles reibungslos funktionieren, sonst entsteht ein Engpass.“ Reedereien wollen Zuverlässigkeit bieten können und diesen drei Herren zufolge, war das in der Vergangenheit nicht immer möglich. Seitdem das Shortsea-Terminal, das Schienen-Terminal und die Reedereien sich zusammengeschlossen haben, haben sich die Durchlaufzeiten für Container wesentlich verbessert, sodass weniger Container über die Straße befördert werden müssen und die Reedereien eine nachhaltigere Alternative anbieten können. Chelmowski: „Wir können garantieren, dass alle Container innerhalb von 24 Stunden zwischen dem Schienen- und dem Sea-Terminal abgefertigt werden. In der Praxis werden die Container sogar noch schneller bearbeitet; innerhalb von zwölf Stunden. Außerdem gibt es mehr Transparenz.“ Luitwieler: „In der Vergangenheit haben Fehlkommunikationen oft dazu geführt, dass sich die Parteien gegenseitig die Schuld gegeben haben, heute wird deutlich kommuniziert. Wir konzentrieren uns nicht länger darauf, die Verantwortung auf den anderen abzuwälzen, sondern übernehmen sie gemeinsam.“

Hinterland in nächster Nähe und unvergleichliche Flexibilität

Viele der Reedereikunden befinden sich in unmittelbarer Nähe des Shortsea-Clusters. Die kurzen Entfernungen zu den Terminals und der hohe Grad an Flexibilität ermöglichen es, dass Fracht bis kurz vor dem Verladen angenommen wird. Das sorgt auch für einen starken Wettbewerb mit anderen Modalitäten.

„Wenn man zum Beispiel erst mit all den Containern bis zur Maasvlakte fahren müsste, würde das Zeit und Geld kosten. Weil das Waal-Eemhaven-Gebiet weiter landeinwärts liegt, können zusätzliche Investitionen jetzt vermieden werden. Das bietet Vorteile in Bezug auf Effizienz und Einsatzfähigkeit“, fügt Chelmowski hinzu. „Theoretisch kann die Fracht bis zu einer Stunde vor dem Verladen geliefert werden. Diese Flexibilität ist wirklich unerreicht.“

Die direkte Verbindung zum RSC und damit zum Hinterland spielt auch eine wichtige Rolle. „Für viele Kunden ist das der Ausgangspunkt, wenn sie sich für eine Reederei entscheiden. Eine Art von Reiseagentur für Shortsea“, erklärt Luikenaar. Deswegen bleibt der Cluster eine saubere und kosteneffiziente Alternative, besonders zum Straßentransport.

Natürlich beobachten die Reedereien die Schiffsfahrpläne und Hafenanläufe auch weiterhin kritisch. „Vor allem, wenn weniger Fracht auf dem Markt ist und im Hinblick auf die allgemeine Nachhaltigkeitsdiskussion, untersucht man sorgfältig, ob man die Hafenanläufe vielleicht reduzieren und nach einem noch besseren Zeitplan arbeiten kann“, stellt Luikenaar fest. „Das gilt auch, wenn man sich den Aufwand für einen Hafenanlauf anschaut, nicht nur im Hinblick auf die Zeit, sondern auch, was das Geld angeht. Es geht hier um erhebliche Beträge“, ergänzt Luitwieler. „Es ist definitiv von Vorteil, wenn ein Hafen Waagen- und Shortsea-Dienstleistungen an einem Ort konzentriert, wie im Waal-Eemhaven-Gebiet.“

Nachhaltigkeit, unbestrittener Haupttrend

Nachhaltigkeit ist zweifellos die größte Herausforderung, mit der die Branche heute mehr als je zuvor konfrontiert wird. Darüber sind sich die Reedereien einig. „2023 ist das Jahr, in dem alle messen, was sie ausstoßen. Auf Basis davon werden dann Maßnahmen ergriffen. Wir setzen uns alle für einen nachhaltigeren Shortsea-Betrieb ein. Wenn man jetzt keine weiteren Maßnahmen ergreift, wird uns das viel Geld kosten“, sagt Luikenaar. Er bezieht sich auf das European Trading System, das am 1. Januar 2024 in Kraft tritt. „Ab dann werden 40 % der Emissionen besteuert. Im Jahr darauf werden es 70 % sein und nach und nach wird das bis auf 100 % erhöht. Wir reden hier von hohen Beträgen“, erklärt Luitwieler. „Die Hände in den Schoß legen und abwarten ist keine Option. Besonders, weil es jedes Jahr weniger Möglichkeiten gibt, um sich von der Umweltverschmutzung freizukaufen.“

Viele Initiativen

Deswegen entwickelt jede der Reedereien verschiedene Initiativen, um ihren Betrieb nachhaltiger zu gestalten. W.E.C. Lines und BG Freight Line haben sich für neue Schiffskonstruktionen entschieden. Bis dahin konzentrierten sich die Reedereien auf Biobrennstoffe. „Niedrig hängende Früchte“, nennt Luitwieler das. „Ein perfekter Start auf dem Weg zu unserem Endziel, einer zukunftssicheren Flotte bis 2030.“ Es werden auch Techniken zur Abscheidung von CO2 sowie zur Reduzierung von Feinstaub und Lärm untersucht. Zurzeit werden bereits 30 % der CO2-Emissionen abgeschieden. Technisch gesehen ist es möglich, bis zu 90 % abzuscheiden, aber damit das momentan finanziell machbar wird, brauchen wir eine bestimmte Größenordnung.

Samskip nutzt schon seit Jahren Biobrennstoffe und tätigt beträchtliche Investitionen zur Förderung der Nachhaltigkeit. Wir haben kürzlich in zwei Wasserstoffschiffe für unsere Flotte investiert. Für die Rheinschifffahrt von Rotterdam nach Duisburg wurde ein Projekt für Hybrid-Bargen mit Elektroanrieb gestartet. „Das Geschäftsszenario ist sogar realistischer als wir eingangs dachten“, erklärt Chelmowski. Außerdem nutzt Samskip für Lkw in Skandinavien wasserstoffbehandeltes Pflanzenöl und untersucht verschiedene Optionen, um dies auch in den Niederlanden zu tun.“

Schiffe am Kaiterminal
Foto: Danny van den Berg

Zu wenig Klarheit

Alle drei Gesprächspartner sind sich darüber einig, dass Marktakzeptanz eine wichtige Rolle für die Profitabilität von Nachhaltigkeitsinitiativen spielt. „In Skandinavien haben wir gute Erfahrungen gemacht und festgestellt, dass Kunden bereit sind, für sauberen Transport drei oder vier Prozent mehr zu bezahlen. Das deckt auf keinen Fall die höheren Kosten, die gemacht werden müssen, aber es ist ein Anfang“, fährt Chelmowski fort. Ihm zufolge wäre es wesentlich effektiver, wenn andere Modalitäten dieselbe CO2-Steuer zahlen müssten.

Luitwieler ist ganz seiner Meinung: „Die gleiche Behandlung für alle“, sagt er. Der CEO ist der Meinung, dass in dieser Angelegenheit zu wenig Klarheit herrscht: „Das gilt nicht nur in Bezug auf Bußgelder oder darauf, wie lange Biokraftstoffe noch gefördert werden. Klarheit fehlt vor allem auch im Hinblick auf Normen und zukunftsweisende Technologien. Schließlich handelt es sich bei den Investitionen für die Ökologisierung des Shortsea-Sektors um beträchtliche Beträge, diese Investitionen sind auf 20 bis 25 Jahre ausgelegt. Darum ist es, gelinde gesagt, sinnvoll zu wissen, wo wir stehen und in welche Richtung wir uns bewegen.“

Nationale Regierungen haben den Reedereien zufolge nur einen begrenzten Einfluss darauf, aber die können sicherlich einen Beitrag leisten, beispielsweise indem sie Straßenbenutzungsgebühren für den umweltschädlicheren Straßenverkehr erheben. Der Ball liegt allerdings hauptsächlich bei Brüssel. Luitwieler: „Dort können sie gleichzeitig geografische Ungleichheit in Bezug auf die Vorschriften anpacken.“

Indirekte Folgen

Eine indirekte Folge der Ökologisierung von Shortsea-Lieferketten ist der erhöhte Druck auf Unternehmen. „Man braucht internes Wissen“, hebt Luikenaar hervor. „Clevere, talentierte Leute, die den gesellschaftlichen Nutzen sehen und begreifen und die einen Beitrag leisten möchten.“ Aus diesem Grund bemüht sich W.E.C. Lines mehr als je zuvor darum, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein und seinen Angestellten zu vermitteln, wie sich die verschiedenen Nachhaltigkeitsinitiativen auswirken. „Trotzdem ist es im heutigen angespannten Arbeitsmarkt immer noch schwierig, die richtigen Leute zu finden und zu behalten“, bemerkt Luikenaar.

Obwohl man gute Leute in anderen Ländern finden kann und wir uns immer mehr an die Optionen gewöhnen, die uns die Telearbeit bieten kann, ist es immer noch eine anspruchsvolle Aufgabe“, erwidert Chelmowski. Samskip verfügt über eine eigene Nachhaltigkeitsabteilung, in der sich die Angestellten ausschließlich mit der Umweltverträglichkeit befassen. „Samskips extrem hoch gesteckte Nachhaltigkeitsziele ziehen auch junge Talente an“, so Chelmowski. „Es ist toll, sich jeden Tag mit zukunftssicheren Projekten zu beschäftigen. Besonders junge Leute betrachten es als eine Herausforderung, an einer emissionsarmen oder emissionsfreien Lieferkette beteiligt zu sein. Weil wir so große Ambitionen haben, ist es allerdings entscheidend, dass diese Angestellten die Abläufe von A bis Z verstehen.“

Fazit

Offensichtlich können Reedereien es sich nicht erlauben, die Hände in den Schoß zu legen und abzuwarten. Sie müssen noch heute kreativ werden und aus dieser Notwendigkeit entstehen jede Menge großartiger Initiativen. Es gibt nur sehr wenig Parteien, die alles auf dasselbe Pferd setzen. Das ist auch gar nicht nötig, denn es gibt zahllose Optionen. „Unter anderem aus diesem Grund ist es sinnvoll, Augen und Ohren offen zu halten und gut informiert zu sein“, fasst Luikenaar zusammen. „Es ist wichtiger als je zuvor, im Rahmen der Ökologisierung von Schiffen und Abläufen Informationen und Kenntnisse auszutauschen.“ Hier kommt auch die Port of Rotterdam Authority ins Spiel, beispielsweise mit der Organisation von Wissensveranstaltungen und dem Kenntnisaustausch mit anderen Marktteilnehmern.

W.E.C. Lines

Vor fünfzig Jahren startete SBC Container Lines seinen Containerfrachtservice in Rotterdam, dem Vereinten Königreich und Spanien. Schon bald wurden weitere Häfen und Länder, wie Portugal, in die Transportpläne aufgenommen. 1977 wurde die Abteilung für die Abfertigung von Fracht nach Portugal in W.E.C. Lines umbenannt. Traditionsgemäß war die Reederei im Handelssegment Ostafrika/Rotes Meer tätig und bediente zum Beispiel Kenia, Uganda, Tansania und Äthiopien.

Heutzutage ist W.E.C. Lines eine der größeren Reedereien, die im Kaffee- und Teehandel für Europa, Ägypten und Pakistan aktiv sind. Rund 80 % der Umsätze entfallen auf den Shortsea-Verkehr. Mit 15 Schiffen und einer hohen Frequenz verbindet W.E.C. Lines unter anderem Spanien, Marokko, Portugal und die Kanarischen Inseln mit Nordwesteuropa. Dafür sind regionale Büros und fachliche Kompetenz von großer Wichtigkeit. „Vor allem in Südeuropa weiß man das sehr zu schätzen,“ stellt CEO Caesar Luikenaar fest.

BG Freight Line

BG Freight Line bietet ein breit gefächertes Angebot von Logistikdienstleistungen zwischen Irland, dem Vereinten Königreich und dem europäischen Festland an. Zu diesem Service gehören unter anderem der Tür-zu-Tür-Transport, Zubringerdienste und die Kai-zu-Kai-Beförderung für alle Arten von Containerfracht. Von der Firmenzentrale bei Rotterdam Shortsea Terminals und den Büros im Vereinten Königreich und Irland aus betreibt die Reederei 15 Containerschiffe. Die Reederei fährt alle Häfen mindestens zweimal wöchentlich an und die Transportzeiten liegen zwischen einem und vier Tagen, damit gehört ihr Güterverkehrsnetz zu den besten in der Branche.

CEO Koert Luitwieler zufolge sind Flexibilität und Service die Stärken von BG Freight Line: „Obwohl wir einen festen Transportplan für 29 Häfen und Terminals haben, sind wir extrem flexibel, wenn es darum geht, die Anforderungen unserer Kunden zu erfüllen. Auch, wenn mal etwas schief geht, sind wir immer telefonisch erreichbar, um den Kunden zu entlasten. Nicht mit Chatbots, sondern ganz altmodisch im persönlichen Kontakt mit jemandem, der den Kunden versteht.“

Samskip

Das niederländische Unternehmen Samskip mit Hauptsitz in Rotterdam wurde 1990 in Island gegründet. Seitdem hat sich Samskip konstant weiterentwickelt und sein Netzwerk auf 24 Länder erweitert. Als Europas größter multimodaler Akteur bietet das Unternehmen Shortsea-, Schienen-, Straßen- und Frachtkahntransporte mit eigenen Betriebsmitteln über ein europäisches Netzwerk an. Von Rotterdam aus befördert Samskip unter anderem Fracht nach Island, ins Vereinte Königreich, nach Irland, Skandinavien und auf die Iberische Halbinsel.

Obwohl sich das Unternehmen zu Europas größtem multimodalem Betreiber gemausert hat und seinen Kunden Umfang und Zuverlässigkeit bieten kann, liegt die Stärke von Samskip laut Regional Director West Europe Maciek Chelmowski vor allem darin, dass es immer noch die Merkmale eines Familienunternehmens hat: „Wir haben kurze Kommunikationswege, bis hin zu den Eigentümern weiß jeder in unserer Organisation, wer die Kunden sind und was wichtig für sie ist. So sorgen wir für die Zuverlässigkeit und Fachkompetenz, die vom Markt gefordert werden.“