Energiewende

„Wir dürfen unseren Wohlstand nicht als selbstverständlich ansehen“

12 Mai 2025
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Lesedauer: 7 Minuten

Seit einem Jahr leitet sie das Container-Business-Team der Port of Rotterdam Authority – eine Tätigkeit, die sie als großartig bezeichnet. Hanna Stelzel sorgt für eine nahtlose Lieferkette und möchte ein Bewusstsein für den Wohlstand schaffen, den uns der Container jeden Tag bringt: „Wir dürfen nichts als selbstverständlich hinnehmen.“

<strong> Hanna Stelzel </strong>
Foto Marc Nolte

Wenn man Hanna fragt, wer sie ist, gibt sie gleich eine sehr persönliche Antwort. „Zunächst einmal bin ich eine liebende Mutter, mit ganzem Herzen.“ Gleichzeitig bezeichnet sie sich selbst als sehr karriereorientiert. „Ich bin jemand, der Gegensätzlichkeiten liebt. Ich bin davon überzeugt, dass man beides kombinieren kann. Und ich bin wirklich froh, dass das in den Niederlanden möglich ist. Das ist nicht in allen Ländern der Fall." Sie muss es wissen, denn Hanna kam der Liebe wegen nach Rotterdam, wuchs aber in Süddeutschland auf: „Eine eher traditionelle und konservative Region." Als Hanna schwanger war, fragte ihre eigene Mutter sie, wofür sie sich entscheiden würde: Mutterschaft oder Karriere. „Ich denke, das ist ein sehr wichtiges Thema. In den Niederlanden ist es viel selbstverständlicher, beides zu kombinieren. Hier bekomme ich auch schon mal abfällige Kommentare, und es gibt noch viel zu tun, was die Chancengleichheit angeht, aber wir sind hier schon ein ganzes Stück weiter.“  

Alles in einem Container 

„Ich glaube, der beste Weg, etwas zu leisten, Netzwerke aufzubauen und zuverlässig zu sein, ist, man selbst zu sein“, sagt Hanna. Und man muss Ergebnisse liefern. Denn der Containersektor wächst. Hanna zufolge gibt es so gut wie keine Produkte, die nicht in einem Container befördert wurden. Lebensmittel im Supermarkt, Medikamente und Halbfabrikate: Etwa 90 % der produzierten Güter werden per Schiff transportiert; ein großer Teil davon in einem Container. „Container sind das Rückgrat der Gesellschaft. Kommen sie zum Stillstand? Dann haben wir ein Problem. Und da geht es nicht einmal um puren Luxus: nur 4,4 % davon sind Konsumgüter.“

Es gibt viel Liebe, Leidenschaft und Stolz für den Hafen und natürlich für den Container an sich.
Hanna Stelzel, Directeur Containers, Port

Hanna möchte das Bewusstsein dafür in der Gesellschaft schärfen: „Binnenschiffe, Lastwagen und Güterzüge: Das sind die Transportmittel, die dafür sorgen, dass unsere Supermärkte gefüllt sind. Und dass wir Arbeit haben.“ Lokale Produktion? Sie lacht: „Viel Glück mit den Avocados und Bananen“, fährt aber gleich im ernsten Tonfall fort: „Der Wohlstand, den wir hier haben, den wollen wir erhalten. Ich stehe voll und ganz hinter der Auffassung, dass wir uns beim Essen viel mehr nach den Jahreszeiten richten sollten. Und auch in Sachen Energie bin ich überzeugt, dass wir wirklich autonom sein müssen.“ Aber diese riesige globale Lieferkette, in der all die Produkte, die lebenswichtig sind, transportiert werden, bezeichnet Hanna als extrem wichtig: „Wir dürfen nichts als selbstverständlich hinnehmen. Wir sehen alles, was uns zur Verfügung steht, als ganz normal an, aber das ist es nicht. Dafür müssen wir nämlich hart arbeiten. Jeder in der Kette spielt seine Rolle dabei, dass wir all diese Produkte haben.“ Als Beispiel führt sie die Pharmaindustrie an: „In dem Bereich sind wir in hohem Maße von Indien und China abhängig. Das halte ich für ziemlich gefährlich. Was ist, wenn dort in der Lieferkette etwas schief geht? Dann haben die Leute hier keine Medikamente.“ Darauf gründet sich ihr Idealismus, die Welt zu einem besseren Ort zu machen: „Wir haben hier den größten Hafen Europas, und mit dieser Stimme erreichen wir sehr viele Menschen in der Kette. Wir müssen gemeinsam die Versorgungssicherheit gewährleisten.“ 

Liebe zur „Box“ 

Zu ihrem Team gehören Menschen fast aller Altersgruppen: von 26 bis 62 Jahren. Ihre Mitarbeitenden konzentrieren sich auf die Zusammenarbeit mit der Logistik und den Regionen weltweit. „Wir haben es tatsächlich geschafft, Nachhaltigkeit als selbstverständliches Ziel zu verfolgen. Das Gleiche gilt nun für die Widerstandsfähigkeit. Was ist, wenn es zu Störungen kommt? Darauf wollen wir vorbereitet sein.

Wodurch sich das Team laut Hanna vor allem auszeichnet: „Es gibt viel Liebe, Leidenschaft und Stolz für den Hafen und natürlich für den Container an sich.“ Sie lacht: „Viel Liebe zur Box.“ 

Hanna Stelzel

Und mit dieser Box hat Hanna große Pläne. Ihre Mission: Ständige Verbesserung, die Kette widerstandsfähiger machen und eine nahtlose und effiziente Verbindung zwischen Meer und Hinterland gewährleisten. „Es ist ein idealistisches Ziel. Ich bin sehr optimistisch und idealistisch. Aber ich bin auch eine Realistin. Es gibt so viel zu verbessern. Wir wachsen im Containersegment und sehen gleichzeitig, dass sich die Welt geopolitisch verändert. Das hat enorme Auswirkungen. Der Druck auf das gesamte System hinter dem Hafen nimmt zu, da immer mehr Container auf einem einzigen Schiff ankommen. Es muss alles besser aufeinander abgestimmt sein: eine nahtlose Integration.“

Sie fährt fort: „Wie bekommen wir die Container auf eine zuverlässige und demnächst auch nachhaltige Weise hierher?“ Sie ist davon überzeugt, dass die Dynamik jetzt in Gang kommt. „Wir haben jetzt tiefere Einblicke: Wir können Dinge messbar machen und so schneller zu einem Systemwandel beitragen.“ Sie sieht auch im Verhalten eine Lösung: „In der Zusammenarbeit zwischen den Logistikpartnern könnte vieles besser laufen.“ Sie führt viele verschiedene Interessen an: „Mit mangelnder Transparenz wird Geld verdient. Wenn man Licht ins Dunkel bringen will, stößt man auf Widerstand. Ich glaube, dass diese Transparenz in der Lieferkette irgendwann kommen wird. Also möchte ich lieber jetzt mitbestimmen, wie das genau ausgestaltet werden kann. Es ist nicht einfach, alle mit ins Boot zu holen. Uns ist klar, dass das leichter gesagt als getan ist.“ Und doch ist sie entschlossen: „Das gesamte System muss verbessert werden. Und dazu braucht es jeden einzelnen von uns.“

Hanna Stelzel
Foto Marc Nolte

Alle an einem Tisch

Hanna und ihr Team setzen auf einen multimodalen Ansatz. Alle Akteure der Kette sitzen mit am Tisch. „Es beginnt mit einem gemeinsamen Verständnis dessen, wo wir jetzt stehen, d. h. wozu wir tatsächlich in der Lage sind, wie sich der Markt entwickelt, die Szenarien, wie sich der Markt entwickelt und was das Hinterland tun wird. Bislang konzentrieren wir uns auf die Verbesserung der Modalitäten. Ein Tisch, an dem das gesamte System diskutiert werden konnte, fehlte jedoch.“ Sie möchte gemeinsam nach Lösungen suchen. Sodass alle hinterher dieselbe Prioritätenliste im Kopf haben. „Dass wir das so machen müssen, davon bin ich fest überzeugt“. 

Zwischen CEO und Lkw-Fahrer

Trotz oder gerade wegen der Komplexität kann sich Hanna kein schöneres Arbeitsumfeld vorstellen: „Manchmal spreche ich morgens mit den CEOs großer Reedereien, und nachmittags telefoniere ich mit einem Lkw-Fahrer, der auf der Maasvlakte im Stau steht. Es gibt einen Lkw-Fahrer, den sie besonders hervorhebt: „Rene Lindeman – er war ein großartiger Mann. Er ist leider verstorben. Ich habe regelmäßig mit ihm gesprochen, und ich werde nie vergessen, wie er sagte: „Hanna, du musst mir eines versprechen: Gehe immer den Weg von der Praxis zur Theorie und nicht umgekehrt.“ Ihrer Meinung nach ist es wichtig, die Praxis zu verstehen und dann zu sehen, was überhaupt machbar ist. Und es ist ihr ein Anliegen, dass die Distanz zwischen der Praxis und der Port of Rotterdam Authority gering ist: „Wir müssen wirklich Hand in Hand gehen.“ Sie schätzt das ausgewogene Verhältnis zwischen dem strategischen und dem operativen Bereich sehr: „Ausgewogenheit ist für mich eine wichtige Sache. Ich achte bei allem, was ich tue, immer auf Ausgewogenheit. Und ich bin auf der Hut. Ich merke schnell, wenn die Waage nicht in die richtige Richtung geht, wenn das Gleichgewicht kippt.“

Die Geschichte erzählen 

Hanna möchte ihre Rolle nutzen, um ein großes Netzwerk erreichen und über die Bedeutung des Containers zu informieren. „Man muss sich ständig verbessern, aber immer mit einem Idealbild vor Augen. Darum geht es: Dass wir den gleichen Wohlstand, den wir jetzt haben, auch in Zukunft erhalten. Dass wir darauf aufbauen können.“ Und so sieht Hanna viele Dinge wie Avocados und Erdbeeren das ganze Jahr über als Luxus. Wovon träumt sie wirklich? Frieden. Und der Hoffnung, dass ihr Kind ohne Krieg aufwachsen kann. Doch Hanna zieht ein positives Fazit. „Ihre“ Container transportieren so viele verschiedene Produkte. Auf welches Produkt könnte sie auf keinen Fall verzichten? Sie denkt einen Moment lang nach: „Kaffee. Ohne Kaffee wäre das erste Meeting des Tages mit mir sicher kein Vergnügen. Am liebsten mag ist Kaffee aus Südamerika.“ 

Transport Logistic München
(2.-5. Juni) 

Natürlich wird Hanna an der Transport Logistic München teilnehmen. Ein Heimspiel für Hanna, auf das sie sich „100%ig freut“: „Noch nie war die Dringlichkeit so groß: Geopolitik, Containerströme, Widerstandsfähigkeit, Nachhaltigkeit. Es gibt so viele aktuelle Themen. Mit der Logistik haben wir eine wirklich große Aufgabe. Diese Herausforderung stellt sich in ganz Europa.“ Sie betont: „Alle, die in der Lieferkette arbeiten, stehen vor dieser Herausforderung, Container-Reederei oder Bahnbetreiber. „Die TLM ist eine tolle Gelegenheit, um miteinander in Kontakt zu treten und diese Kontakte zu feiern: Gemeinsam müssen wir eine Menge durchstehen. An diesem Fundament möchte ich in München gemeinsam weiterbauen.“ 

 Hanna Stelzel

DÜNUNG

In dieser Rubrik trifft man Menschen, die sich für intelligente und nachhaltige Lösungen im Hafen und für die Erde allgemein einsetzen. Lassen Sie sich von ihnen inspirieren und helfen sie mit, diese Lösungen umzusetzen. 

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