Nachhaltigkeit

Tun ist die beste Art zu denken

24 Februar 2023
Wie können wir Ihnen helfen?

Sie kennen einander: Sabine Biesheuvel, eine der Initiatorinnen und Geschäftsführerin von BlueCity, und Jouke Goslinga, Programmmanager RDM Rotterdam (Teil von Rotterdam Makers District). Beide sind begeisterte Fürsprecher der Fertigungsindustrie. Wenn wir die Kreislaufwirtschaft realisieren wollen, müssen viel mehr Fertigungsbetriebe entstehen. Mehr Handwerke, weniger Berater. Davon sind sie fest überzeugt.

Sabine Biesheuvel und Jouke Goslinga im alten Tropicana

Vor sieben Jahren wurde über Kreislaufwirtschaft vor allem geredet, passiert ist jedoch nicht viel. „Darum haben wir BlueCity ins Leben gerufen, eine ur-Rotterdamer Initiative“, erzählt Sabine. „In dieser Zeit beschäftigten sich vor allem viele Idealisten mit Kreislaufwirtschaft. Das war sicher sehr gut gemeint, aber wir fanden, dass es Zeit war, die Kreislaufwirtschaft endlich einmal ernsthaft anzugehen, indem wir ernstzunehmende Unternehmen gründen.“ Mit Hilfe eines Impact Investors wurde das 12.000 m2 große frühere Schwimmparadies Tropicana gekauft, das anschließend zum Experiment in Sachen Kreislaufbauen wurde. Außerdem fing BlueCity an, Räume an Kreislaufunternehmen zu vermieten, von denen mittlerweile fünfzig in dem Gebäude untergebracht sind. „Wir helfen ihnen mit ihrem Unternehmen und dessen Vergrößerung. Was uns kennzeichnet, ist ein positiver konstruktiver Blick darauf, was geht. Und am Anfang ist es noch nicht perfekt, aber es ist immerhin ein Anfang.“

Der Rotterdam Makers District

Der Rotterdam Makers District ist der Hotspot für die neue Generation von Fertigungsbetrieben, deren Ziel es ist, Stadt und Hafen nachhaltiger zu machen. „Hier arbeiten Gemeinde und Hafenbetrieb gemeinsam an der Entwicklung einer neuen Innovationsumgebung“, erläutert Jouke. „Neben der physischen Entwicklung ist vor allem das Netzwerk von Unternehmern und die Zusammenarbeit mit dem Bildungssektor von Bedeutung. Der Distrikt entwickelt sich auf beiden Seiten der Maas und befasst sich mit den wichtigen Innovationsthemen Energiewandel und Digitalisierung. Bei RDM ist in den vergangenen zehn Jahren ein starker Maritim- und Offshore- Cluster entstanden, bei M4H liegt der Schwerpunkt auf Mobilität und Zirkularität. Genau dafür bietet M4H Raum als Versuchsfeld und Entwicklungsstandort. Das Areal verändert sich vom alten Hafen- und Industriegebiet zu einer Innovationsumgebung mit Wohnen, Lernen und Arbeiten, mit Orten für Experimente und Begegnung. Genau diese Kombination macht den Unterschied aus und sorgt für ein Umfeld, in dem es sich hervorragend gemeinsam an Verfahren und Technologien für eine nachhaltige Stadt und einen nachhaltigen Hafen arbeiten lässt. Mit Kollektivität als Basis für Zirkularität.“

Brutstätte

Was BlueCity und den Rotterdam Makers District miteinander verbindet, ist die Fertigungsindustrie. „Was mir an BlueCity gefällt, ist, dass ihr es einfach gemacht habt“, sagt Jouke. „Neulich meinte ein Besucher, dass Tun die beste Art zu denken ist. Wenn wir nicht aufpassen, analysieren wir alles über und verlieren das ‚Nicht labern, sondern handeln‘-Image. Und labern, das können wir inzwischen ziemlich gut in der Stadt, aber eine Blamage möchten wir nicht so gerne riskieren. Darum ist es so gut, dass es Initiativen wie BlueCity gibt. Gemeinsam bilden wir eine Art Brutstätte für innovatives Talent, das intensiv mit Kreislaufprodukten, -materialien und -geschäftsmodellen experimentiert. Unser Ziel als RDM ist nicht nur, Start-ups zu pampern, sondern, den interessantesten und relevantesten Start-ups Chancen zu bieten. Bei uns werden die meisten Start-ups, die zu einem intelligenten, sauberen Hafen beitragen, bevorzugt behandelt.“

Blue City im alten Tropicana
Foto: Daniel Verkijk

Mehr Geld für Fertigungsbetriebe

Unbedingt notwendig, denn die Fertigungsindustrie scheint aus den Niederlanden beinahe verschwunden zu sein. „Wenn wir wirklich die Kreislaufwirtschaft wollen, geht es nicht ohne Fertigungsbetriebe und Handwerke“, stellt Sabine klar. „Von einem Dienstleistungssektor allein wird man nicht satt. Wir brauchen wirklich mehr Fertigungsbetriebe, die konkret mit Rohstoffen arbeiten und nachhaltige, reparatur- oder recycelfähige Alternativen auf den Markt bringen. Wir brauchen mehr Menschen, die greifbare Produkte anbauen oder herstellen, die wir außerdem nach ihrem Wert bezahlen. Menschen, die keine Schwielen an den Händen haben, sondern nur auf ‚Enter‘ drücken können, sind stark überbezahlt. Jemand, der einen tollen Tisch machen kann, verdient höchstens 45 Euro pro Stunde, während ein Berater, der einen Bericht schreibt, der nichts anderes bewirkt als die Verzögerung wichtiger Veränderungen, mindestens 110 Euro pro Stunde kriegt. Wenn einem bewusst ist, wie schwierig es ist, etwas herzustellen oder anzubauen, weiß man wieder mehr zu schätzen, was man hat, und geht anders mit Dingen um. Außerdem macht man die Fertigungsindustrie für junge Menschen zu einer echten Alternative, wenn man sie besser bezahlt.“

Konkrete Aufträge

Noch vor einigen Jahren erschien „Start-up-Unternehmer sein“ laut Jouke noch als eine Art hype way of life und es gab mehr Unternehmen, die Start-ups betreuten, als Start-ups. „Das lässt zum Glück nach. Für ein Start-up ist ein konkreter Auftrag - zum Beispiel vom Hafenbetrieb -, etwas zu fertigen und zu liefern, das Allerwichtigste. Es müssen realistische Business Cases sein. Ebenso wie BlueCity hat auch RDM eine Informations- und Inspirationsrolle gegenüber verschiedensten Beteiligten inne. Wir versuchen, mit Akteuren, die mit uns zusammenarbeiten wollen, den Vorreitern, auf inspirierende Weise zu prüfen, was geht. So arbeitet RDM mit Hafenbetrieb, Gemeinde und Bildungssektor zusammen, wie etwa dem Techniek College Rotterdam und der Hogeschool Rotterdam. Keine Innovationen ohne junges Talent und junge Fachkräfte! Bei RDM kann man als Start-up und/oder kleines oder mittleres Unternehmen mit Studenten zusammenarbeiten, wenn man ein Projekt im Bildungssektor beantragt.“ Sabine: „Wir versuchen, auch kleine und mittlere Unternehmen in den aktuellen Wandel mit einzubeziehen, wie bei dem Programm ‚Het Nieuwe Nassen‘, an dem auch die Gemeinde Rotterdam beteiligt ist. Damit bieten wir Gastronomiebetrieben, die gesunde, nachhaltige Gerichte auf die Karte setzen und Werbung dafür machen, wirtschaftliche Chancen.“

Kleine und mittlere Unternehmen

Auch wenn die Innovationskraft vor allem in zirkulären Start-ups liegt - sie allein werden den Energiewandel nicht bewältigen können. „Große Konzerne wie Shell und Vopak sind auf ihre eigene Art stark mit Innovation beschäftigt und werden dabei große Fortschritte erzielen“, meint Jouke. „Aber zwischen Start-ups und Großkonzernen liegen die kleinen und mittleren Unternehmen und vor allem in unserer Region sind sie der wohl stärkste Player. Darunter gibt es viele Familienunternehmen, die oft einen anderen Horizont, ein anderes Verantwortungsgefühl und beträchtliche Schlagkraft haben. Eine immens wichtige Gruppe, wenn es um Innovation geht.“

Quelle: Rotterdam. Make It Happen.